bizarr

Sie strich sich über das Auge.

Als ob da etwas drin wär.

Tatsächlich.

Hatte ein Ding herausgeholt. Weißlich, flach.

Der Form nach wie ein Mäuschen, dachte sie noch.

Ein eher kleines Körperchen wie aufrecht sitzend und der dicke Schwanz nach oben gebogen.

Ja, ein Mäuschen, wie zu Knorpel zusammengedrückt.

Gewahrte, da war noch mehr.

Zog abermals so ein Ding heraus, seitlich, aus dem rechten Auge.

Diesmal größer, gräulicher.

Und lebendiger.

Da merkte sie, dass in ihren Augen Mäuse waren.

Die darin lebten und hin und her huschten.

Und sie nicht mehr nachkam, sie an der Seite einzeln herauszuziehen.

Sie sich viel zu schnell vermehrten.

Und sie nahm wahr, wie sie ratlos und vollends beunruhigt war, wie sollte sie das schaffen?

Alleine würde das zu lange dauern und bis sie zum Arzt kam, waren es schon viel zu viele geworden.

Entschied nachzudenken, was hülfe.

Ein Relaxans tropfen, dass sich die Augen gar nicht mehr bewegten und mit einem Strahl alles töten, was sich regte.

Am besten verdampfen.

Ein seltsamer Augenblick war das.

Dieses Herausqualmen aus den Augen, gezielt ausströmender, dunkler, dichter

Rauch.


Die Mutter und die kleine Tochter waren auf der Suche nach dem Vater.

Da war die Tochter gleich den Berg hinaufgelaufen, ein grasbewachsener Felsen, aber auch von dort aus war der Vater nicht zu finden. Das Mädchen kam wieder zurückgelaufen.

Da stieg die Mutter hinauf, wie noch einmal von sich aus nachzuschauen und konnte den Vater ausmachen: Fremd hoben sich seine Konturen ab gegen die grüne Landschaft.

Er lag bäuchlings auf dem Handlauf, der den breiten Kieselweg säumte, links ganz unten am Bergfuß.

Sie vermochte nicht zu sagen, ob er nur drauf lag oder der birkenhelle Ast durch ihn hindurch ging.

Von oben fiel es auf, er passte nicht in die Naturflächen, sein schütterblonder Kopf und die dunkle Jacke.

Da fiel ihr ein, dass die Kleine das auch gesehen und abgetan haben musste, zu verstörend.

Sie

hielt Stand.

Sie würde das Gefühl ihrer Tochter bestärken, du hast richtig gesehen, Papa ist da, er ist … und sie fragte sich, ob er nun aufgespießt war oder nur oben drüber hing.

Entschied, noch einmal genauer hin zu gucken.

Der Vater war nicht aufgespießt, auch wenn der dünne Querstamm ihm durchging.

Es war vielmehr so, wie durchgewachsen.

Stimmte.

Es gehörte so.

Der abgewandte intakte Vater Handlauf.

„Du musst nicht schweigen, wenn du etwas siehst, das dich verunsichert. Mama ist da und freut sich, wenn du nicht verstummst, sondern fragst, schreist, lauthals losbirst.“

 

(Beispiele für Texte der Sparte ‚bizarr‘, zu der auch der Text „… und lachte“ gehört, zu erwerben bei dtv, herausgegeben in der Textsammlung „West-östliche Diven“, 2000)