Selbstverständnis

Ich bin weniger als Ästhetin denn als Ästhetikerin Autorin.

Mir geht es darum, Texte zu schreiben, die nach wissenschaftlichen Kriterien als qualitätvoll gelten können, dass ein gutes literarisches Werk mehr in der Welt sei.

Als Autorin meiner Texte definiere ich mich selbst als ihre Sekretärin.

Meine Texte sind mir etwas Autopoietisches, etwas, das sich selbst macht und für sich selbst steht, idealerweise viel größer als ich, bloß ihre Sekretärin, die diese autonome Eingebung, die sich da zwar mit meiner Hilfe selbst gebiert, aber ausschließlich sich selbst gehört, lediglich schriftlich fixiert.

Das heißt nicht, dass ich als Sekretärin nicht fähig wäre, mir ein Qualitätsurteil darüber zu bilden, was ich da schreibe. Als ausgebildete Literaturwissenschaftlerin, -historikerin und -kritikerin tue ich das ebenso bewusst wie als Fan des Erwerbs einer qualifizierten Urteilsfähigkeit im Bereich Kunst, die in ihrem Philosophiestudium nicht zufällig den Schwerpunkt Ästhetik gewählt hat.

Als Autorin halte ich für meine Texte den Kopf hin, etwa, dass sie nicht gegen geltende Gesetze verstoßen. Das ist aber auch schon ziemlich alles. Der Rest ist gültige Freiheit.

Meine Texte sind das, was ein jeder daraus macht oder präziser, was ihm frei beliebt, jederzeit daraus zu machen. Das kann jetzt so sein und drei Stunden später anders. Vielleicht ist ihm in der Zwischenzeit ein innovativer Einfall gekommen.

Mir wäre wichtig, dass einer korrekt begründen kann, warum ein Text gut oder weniger gut ist, sofern er ihn beurteilen möchte und nicht gerade konsumieren, was ich übrigens legitim finde.

Als Autorin meiner Texte schreibe ich sie. Was sie aussagen könnten für mich oder andere kümmert mich nicht. Als Leserin meiner Texte gibt es mir etwas, wenn ich sie rezipiere. Als Kritikerin meiner Texte bin ich sehr daran interessiert, sie literarisch zu verbessern.

Als Urheberin eines Textes ist mir wichtig, dass dieser es vermag, Polyvalenzen zu evozieren, mit Mehrdeutigkeiten, natürlich tendenziell gekonnt und gut, zu spielen, Ambivalenzen zu transportieren, sowas. Kurz gesagt, eher reichhaltig gehaltvoll als scheinbar eindeutig und leicht vereinnahmbar zu sein.

Einen Text auf eine Bedeutung festlegen zu wollen, heißt, ihn zu schmälern. Natürlich machen es einem unterschiedliche Texte unterschiedlich leicht, darin mehr als nur eine nachweislich gültige Bedeutung zu sehen.

Schafft es mein Text, jemanden zu berühren, hat er was davon, wenn nicht, nicht. Ob das dann für den betreffenden Rezipienten gut oder weniger gut ist, liegt daran, wie er ihn für sich verrechnet. Seine Attributionen oder auch Projektionen, Identifikationen usw. sind allein seine, übrigens freie, Wahl. Die Botschaft macht stets der Empfänger.

Ganz sicher will ich meine Texte nicht in einer von mir bestimmten Weise verstanden wissen. Warum auch? Ich bin ja als Einzelwesen viel zu begrenzt, als dass ich der Komplexität eines guten Textes allein gerecht werden könnte! Im Gegenteil, ich freue mich, wenn mir immer wieder neue Bedeutungszuschreibungen zugetragen werden, die anhand des Textes nachweislich plausibel sind, sich Bedeutungsebenen öffnen, die ich selbst bis dato noch gar nicht in meinen Texten entdeckt habe. Nicht als Leserin, nicht als Kritikerin und schon gar nicht als Autorin, die Aufschreiberin, meiner Texte.

Ein bevorzugter Inhalt meiner Texte ist die Darstellung von Entwicklungsprozessen einer weiblichen Hauptfigur in Richtung mehr eigenmächtigen Selbstseins.

Natürlich habe ich stets eine dezidierte klare eigene Interpretation zu jedem meiner Texte. Nur keine festgelegte. Sondern eine frei erweiterbar- und wandelbare. Ich entwickele mich ja immer weiter und sehe einen Text entsprechend neu.

Es kann passieren, dass die Aussage eines Textes widersprüchliche Positionen abdeckt. Das ist die Kunst. Diese Paradoxie abzubilden, die das Leben ausmacht.

Bei einem guten Text ist eine bestimmte Bedeutung da, eine Aussage nachweislich belegbar, zutreffend und wahr und das Gegenteil auch wahr. Das unterscheidet nicht triviale von trivialer Literatur. Einmal ist das Gegenteil von richtig einfach falsch und einmal ist das Gegenteil von richtig immer noch richtig und der Text bleibt bestehen, behält seine Gültigkeit durch all die Wandlungen der Zeiten hindurch.

Jeder hat die Möglichkeit, einen guten Text schlecht zu finden und umgekehrt. Und natürlich einen guten gut und einen schlechten schlecht. Ich mache das als Leserin fremder wie auch eigener Texte oder Betrachterin von Werken der bildenden Kunst auch so: Ich hänge mir eine Plastik ins Schlafzimmer aus erbaulichen Gründen und habe viel davon, dass ich sie tagtäglich sehe, das ist keine Frage der Ästhetik. Aber natürlich ist mir klar, dass es sich nicht um Qualitätskunst handelt, was bedeutet, mir gefällt ein minderwertiges Stück und ich verfüge an der Stelle über einen schlechten Geschmack. Mir ist nur wichtig, ich kann begründen, wieso und korrekt differenzieren.

Für mich macht einen guten Text aus, dass er eine Wirkung auslöst, nicht neutral zurücklässt. Dann macht es etwas mit einem. Übrigens im Gegensatz zu: Dann macht er etwas mit einem.


„Die Frage danach, was Literatur eigentlich ist bzw. wie wir diesen Begriff verstehen und einsetzen, ist wichtig. Insbesondere die unterschiedlichen Definitionen dessen im Alltagsverständnis und im wissenschaftlichen Umgang […]. Will man/frau es extrem formulieren, so ist das Anliegen der Literaturwissenschaft, den genüsslichen Umgang mit literarischen Werken zu erschweren, den analytischen Zugang dazu auf Dinge zu richten, die uns bei der angenehmen Lektüre wenig interessieren. Kurz gesagt: sie ist auf die formale Seite der Literatur gerichtet, nicht auf den Inhalt (also was beispielsweise in einem Roman als Handlung erzählt wird).“

(Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Wien/Lehrveranstaltung Einführung in die Literaturwissenschaft)

Literatur [lat.: littera, »Buchstabe« bzw. litteratura, »Buchstabenschrift«] ist

… die Gesamtheit der schriftlich niedergelegten Äußerungen, im engeren Sinn das gesamte schöngeistige Schrifttum,

… was zum „Gegenstand“ der Literaturwissenschaft werden kann und da sich diese auch um mündlich Überliefertes bemüht, zählt entgegen dem Wortsinn auch nicht schriftlich Niedergelegtes dazu.

Was Literatur über den wörtlichen Sinn von „alles schriftlich Aufgezeichnete“ hinaus ist, hängt davon ab, was Literaturwissenschaftler, Kritiker, Leser und Autoren als solche betrachten.

Gero von Wilpert (Literaturwissenschaftler) sah die Literatur in ihrem engeren Sinne als Gesamtheit der „Sprachkunstwerke“, die ästhetischen Kriterien genügen und in ihrer höchsten Form Dichtung sind.

(Quellen vgl. Brockhaus Enzyklopädie, BR Telekolleg Deutsch/Literatur, dtv-Lexikon)