Referenzen

Die Texte von Clara Sinn kommen schonungslos ehrlich daher und die geschickt eingesetzten Zeilensprünge provozieren beim Leser Berührung und Verstörung zugleich. Prominent angeordnete Zeilen und Wörter laden zum Innehalten und Reflektieren ein … aber aufgepasst, ehe man sich‘s versieht, hat der Text einen schon am Schlafittchen gepackt und zerrt einen unweigerlich vor den Spiegel.

(Beatrix Kalmünzer, Düsseldorf)


Als Vortragende ist Clara eine Urgewalt – temperamentvoll und mitreißend. Ihre Gedichte und Prosastücke im stillen Kämmerlein zu lesen ist das eine, der Autorin live zu lauschen ganz etwas anderes.

Claras Texte sind Zumutungen im besten Sinne. Fundstücke aus ihrem ungeheuren Fremdwortschatz, längst ausgestorben geglaubte Wortungetüme aus vergangenen Zeiten verschränkt sie mit flapsigem Umgangston oder stellt knappe Halbsätze zu Alltagsbeobachtungen neben grotesk verschachtelte Gedankenbilder, die einem beim schnellen Überfliegen glatt das Hirn verknoten. Abrupte Zeilenumbrüche sind ein notwendiger Cut zum Einhalten und Luftholen.

Ausdruck, Satzbau, Stilbruch: ist alles so gewollt und selbst das vermeintlich Schlichte akribisch gedrechselt. Clara schmirgelt an jeder Silbe. Erwartungen werden geschürt, dann untergraben und überraschende Wendungen eingebaut – analog zu den Überraschungen, die die weibliche Figur in ihrem Alltag erlebt. Eine banale Situation, ein aufblitzender Gedanke, ein Mikro-Erlebnis am Altglascontainer oder in der Partnerschaft lösen in ihr eine existenzielle Erkenntnis aus, die Veränderungen anstößt. All dies wird aus Sicht einer wissenden Instanz kommentiert, die alles miterlebt. Das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz changiert und verstört mitunter. Einmal lesen reicht selten. Wenn sich dabei aber ein Bild oder eine Wendung in Bauch oder Hirn festsetzt und Unruhe stiftet: einfach noch mal lesen. Dann vielleicht noch mal. Und ein halbes Jahr später wieder.

Und wer nicht nur lesen will, sollte mal zuhören und darf auch fragen: Eine Clara-Leseperformance ist ein Erlebnis. Wenn sie ihre Satzschöpfungen pointiert betont und lebhaft performt, nehmen selbst störrische Bilder und Konstruktionen Gestalt an und fliegen einem leicht zu. Dann macht alles plötzlich Sinn und Spaß auch. Noch Fragen? Nur zu. Clara gehört nicht zu denen, die ausschließlich ihre geschriebenen Worte für sich sprechen lassen wollen. Im Gegenteil. Sie antwortet. Und wie!

(Claudia Heinrich, M.A., Kulturjournalistin, Bochum)


Die Texte von Clara sind kurzweilig und gehaltvoll, dabei inhaltlich wie sprachlich griffig auf den Punkt gebracht. Der Autorin gelingt es, den Zeitgeist treffsicher einzufangen und rhetorisch wie stilistisch prägnant darzubieten. In dem breiten Spektrum ihres Schaffens ist für alle etwas dabei.

(Ulla Kortmann, M.A., Witten)


Clara Sinns Literatur kreist um Menschen und kriecht dabei gefährlich tief in die verborgensten Winkel ihrer Seelen. Häufig berichtet sie aus verschiedenen Perspektiven. Läßt unterschiedliche Personen zu Wort kommen und gibt den Blick frei auf deren Motivation und Gefühle, auf Kindheitserfahrungen, auf unerfüllte Wunschvorstellungen oder hartnäckige Traumata, die ihre Lebensläufe erheblich beeinflussen.

Auf den ersten Blick wirken die Texte von Clara Sinn wie ganz normale Alltagsgeschichten. Doch schnell gerät der Leser in einen unerschöpflichen Reigen psychologischer Muster und gerade die bilden die Grundlage für Clara Sinns außergewöhnliche Literatur. Manchmal sind es nur Gedankensplitter, aber zurück bleibt diese Nachdenklichkeit und eine gewisse Verunsicherung.

Zitat: „Wollte seine heilige Angststörung, seine Zwangsgedanken, Zwangshandlungen, Zwangsmißhandlungen vor jedem heilenden Therapiezugriff gesichert wissen. Sie schaute auf diesen unaufgetauten Mann, dem es nicht gegeben war, erfahren zu dürfen, dass es die eingefrorene Liebe war, der unvermittelt grausame Tod des kleinen Bruders, mit dem er Schlittschuhlaufen gewesen war, im bewegten Gehert-See fortgeschwemmt unter der geschlossenen Eisdecke.“

Sätze wie diese verstören und verweisen augenblicklich auf das Grauen, das einen Lebensentwurf immer und immer wieder in die falsche Richtung peitschen wird.

Zitat: „Und sie dankte den Jahrzehnten der Gewalt und Not, die sie davor bewahrt hatten am eigenen Elend verstorben zu sein, viel zu früh. Und sie ließ ihre Wunden frei schmerzen ohne Vorschriften, ohne Verbot. Ohne Betäubung. … Zu Recht. Es war richtig, dass die Verletzte in ihr tiefe Schmerzen ertrug und Ohnmacht und dieses Ausgeweidetsein. Und es war richtig, dass sie diese Verletzung in ihr betrauerte anstatt ablehnte weiterhin. Gelten ließ. Das erste Mal.“

Clara Sinn entwirft für ihre psychologischen Muster einen sehr eigenwilligen, sehr individuellen Stil. Es ist etwas Appellatives darin. Etwas, das bewegt und sensibel werden läßt für diese unaussprechlichen Erfahrungen, für all diese verdrängten Grausamkeiten, für all das, was Menschen entmenschlicht.

Wem psychologische Fachtexte zu unverständlich erscheinen, dem bietet Clara Sinn mit ihrer außergewöhnlichen Prosa eine lesenswerte literarische Alternative.

(Ingrid Schlüter, Autorin, Düsseldorf)